Für die Ausstellung hat Keren Cytter drei neue Filme geschaffen. Ausgangspunkte für diese Filme stellten brutale Kriminalfälle dar, auf die Keren Cytter als gewöhnliche Nachrichten im Frühjahr 2009 gestoßen war und die allesamt bizarre Züge tragen. Der erste Fall handelt von einem Mann, der nach einem Streit seiner Frau in den Kopf schoss und sich anschließend selbst mit derselben Waffe umbrachte. Die Frau überlebte jedoch mit der Kugel im Kopf. Als ein Polizist eintraf, wurde er von der Frau begrüßt und bekam von ihr angeblich sogar Tee serviert. Die zweite, noch groteskere Geschichte, handelt von einem russischen Mann, der den Sprung aus dem fünften Stock eines Wohnhauses gleich zweimal überlebte. Der betreffende Mann, ein gewisser Alexei Roskov, war betrunken, als er, wohl aus Überdruß, das erste Mal aus dem Fenster sprang. Den Meldungen zufolge erklärte er später, er sei anschließend ein zweites Mal aus dem fünften Stock gesprungen, einfach weil er es nicht ertragen konnte, wie sich seine Frau so laut keifend über seinen ersten Sprung aufregen konnte. Bei dem dritten Ereignis starb ein Mann mit dem Namen Ben Kinsella in einem Vorort von London bei einem Angriff durch drei junge Männer: Sie töteten ihn durch Messerstiche, und zwar, laut Nachricht „durch elf Stiche in fünf Sekunden.“ Für die drei Filme der Ausstellung hat Keren Cytter die Schlüsselszenen dieser haarsträubenden Fälle mit Mitgliedern ihrer gerade neu gegründeten Tanzgruppe D.I.E NOW (Dance International Europe Now) nachgespielt und dabei in neue Kontexte gestellt. Die filmischen Dialoge beispielsweise sind eine Erfindung der Künstlerin und betonen die bittere Ironie der Ereignisse. Die Szenen entstanden weder in Russland noch in London, sondern in Wohnungen und an anderen Orten in Berlin und bleiben unspezifisch. Erzählerisch wird das Film-Set jedoch durch die gezeigten und verwendeten Objekte, durch die coole 60er Jahre Kriminalfilmmusik (ein zeitgenössischer Remix) und insbesondere durch das trashige Architektur-Ambiente. Die ohnehin schon schwer zu glaubende Realität der Geschichten kippt ins Fiktionale, ins Metaphorische und behält dennoch ihre Drastik. Neu entstandene Zeichnungen, die Keren Cytter neben die Filmprojektionen gehängt hat, verstärken das zeichenhafte, symbolische Moment der Filme. Besonders bemerkenswert ist darüber hinaus, der Ort, an dem die Filme im Ausstellungsraum gezeigt werden: nicht nur im zentralen Galerieraum, sondern auch in einem kleinen Seitenraum, einer Art Depot, und im Notfalltreppenhaus. Bei beiden handelt es sich um ehedunkle, enge Räumlichkeiten – und dem Klischee nach daher sehr typische Orte für Verbrechen. Durch deutliche Referenzen zum „film noir“, durch effektvolle Schnitte und Wiederholungen und auch einer Offenheit, die dem „Absurden Theater“ ähnelt, gehen Keren Cytters Filme weit über die Frage nach den gemeldeten Verbrechen hinaus. Sie sind viel eher als poetische Spiele zu werten, welche die Grenzen der menschlichen Existenz ausloten, „Endspiele“ im Beckettschen Sinne, doch ganz und gar in unserer Mediengesellschaft verankert.